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Der
barmherzige Samariter
Personen: Wirt,
Wirtin,
1.
Gast,
2. Gast,
Osmar,
Oskar,
Stimme des
Verletzten
(Szene in einer Kneipe, Wirt steht hinterm Tresen,
hinter einem Vorhang liegt ein Verletzter, ein Gast sitzt am Tisch.)
Stimme Verletzter: Wasser, bitte einen Schluck Wasser.
Wirt: Moment, kommt gleich!
1. Gast: sag mal, ist das hier ein Lazarett, oder was. Ich dachte, ich kann hier in aller Ruhe ein Bierchen trinken, und du spielst den barmherzigen Samariter.
Wirt: Er ist ein Gast genau wie du.
1. Gast: Ein Wassertrinker? Wie kommt der eigentlich hier herein. Allein gelaufen ist der doch bestimmt nicht mehr.
Wirt: Hast Recht. Ich bringe ihm schnell was zu trinken, und dann erzähle ich dir die Geschichte. (Geht zum Verletzten und gibt ihm zu trinken)
1. Gast: Bringe mir mal noch ein Bier mit!
Wirt: (kommt mit Bier) Also, gestern Abend, ich hatte schon geschlossen, klopft es an der Tür. Ich denkt mir so, wird doch nichts passiert sein, wenn so spät noch einer was will. Ich mach also die Tür auf, da steht ein Fremder vor der Tür. Ehe ich fragen kann was los ist, sagt der zu mir ganz gebrochen deutsch. „Du mir bitte helfen, ich haben Mann gefunden. Lag unten an der Brücke über Wasser. Er in meinem Wagen, er brauchen dringend Hilfe!"
1. Gast: Was denn, ein Ausländer hat dir den Kerl da aufgedreht.
Wirt: Ja, ich glaube, es war ein Südländer. Ich schau in seinen Wagen, und da lag er. Dreckig, blutüberströmt, verschmiert. Dem hatten sie ganz schön zugesetzt. Na, ja, was sollte ich machen. Habe den Kerl erst einmal mit reingetragen und dort hingelegt.
1. Gast: Und dann hat er ihn dir dagelassen und ist verschwunden.
Wirt: Nein! Der Fremde hat dann warmes Wasser und Verbandszeug verlangt und ihn gewaschen und verbunden. Erst heute Morgen ist er abgereist.
1. Gast: Und jetzt hast du die ganze Arbeit. Du bist ein selten dämliches Kamel.
Wirt: Die Arbeit habe ich
schon. Aber der Fremde hat mir eine handvoll Dollar dagelassen und
gesagt, er käme bald wieder vorbei. Wenn das
Geld nicht
reichen sollte, würde er dann den Rest begleichen.
1. Gast: Nun gut, miese wirst du dann ja wahrscheinlich nicht machen. Aber leichtsinnig ist das doch. Denk doch mal nach. Den haben doch welche wohl absichtlich vertrimmt. Die werden schon gewußt haben warum. Ich sag mir immer, in solchen Fällen nur nicht einmischen. Wenn die jetzt zufällig hier herein kommen, und sehen den Kerl hier liegen. Die hauen dir doch die ganze Bude zu Kleinholz. Und das nur, weil du hilfst. Überlege doch mal.
Wirt: Ich versteh dich nicht ganz.
(Ein neuer Gast kommt und setzt sich an einen freien Tisch)
Wirt: Womit kann ich
dienen?
2. Gast: Die Speisekarte bitte!
Wirt: Sehr wohl
der Herr.
2. Gast: Sagt mal, Wirt, hier unten soll gestern
eine Schlägerei gewesen sein. Da soll einer ja ganz schön
vermöbelt worden sein. Weißt du was genaueres darüber?
Wirtin: (kommt hinzu)
Und ob er was davon weiß, das Opfer liegt dort hinten. Aber wie
haben sie davon erfahren?
2. Gast: Mein Kumpel hat's erzählt.
Er hat gestern mit seinem Cabrio eine kleine Spritztour mit seiner
neuen Flamme unternommen. Da sind sie an der Brücke
vorbeigekommen. Und da hätte einer gelegen. Total erledigt der
Kerl.
Wirtin: Und warum hat er nicht angehalten.
2.
Gast: Hat er doch, wie sollte er sonst wissen, das der Kerl
zusammengeschlagen wurde? Er hat angehalten, geguckt und
fotografiert. Schließlich sieht man sowas nicht alle Tage.
Wirtin: Warum hat er dann keine Hilfe geholt.
2. Gast:
Das konnte er nun beim besten Willen nicht.
Wirtin: Wie bitte!
Er konnte beim Besten Willen nicht helfen? Das ist ja mal was ganz
neues.
2. Gast: Er ist eine Person des öffentlichen
Interesses. Stellen sie sich doch nur einmal den Rummel vor, wenn die
Presse davon erfährt. Der Mann ist doch dann sofort erledigt.
Wirt: Wenn er geholfen hätte, wäre er erledigt? Die
Presse hätte ihn doch hochleben lassen.
2. Gast: Glaube
ich kaum. Er gilt ein moralischer Saubermann. Und dann, mitten in der
Nacht mit einer einschlägig bekannten Dame unterwegs, und seine
Frau weiß nichts davon. Also hören sie, Sie können
doch nicht verlangen, daß der Mann seine Zukunft aufs Spiel
setzt.
1. Gast: (zum Wirt) Was habe ich dir gesagt, nur nicht
einmischen. Wenn es die da oben schon so machen, dann dürfen wir
uns erst recht nicht einmengen. Oder haben wir etwa nichts zu
verlieren?
Wirtin: Seid ihr denn noch ganz Astrein. Hier geht
es um einen Menschen.
2. Gast: Nein, hier geht es um unsere
Gesellschaft und um das, was sie zusammenhält.
Wirtin:
Sage ich doch! (ab)
1. Gast: (zu 2. Gast) Du, wenn dein Kumpel
so eine angesehene Person ist, kann er dann nicht etwas rüberwachsen
lassen, Ich meine, so eine Pflege kostet ja auch nicht gerade wenig
Geld.
2. Gast: Na hören sie mal, das ist ja jetzt wohl
das allerletzte. Schließlich zahlen wir alle Steuern. Da tun
wir doch wohl schon genug des guten. Und schließlich ist ja
wohl dafür der Staat zuständig. Als nächstes verlangen
sie wohl auch noch von mir, das ich mich daran beteiligen soll. Ich
habe damit gar nichts zu tun. Sollen die bezahlen, die den Kerl
verdroschen haben. Ich wollte hier eigentlich nur speisen. Aber jetzt
ist mir der Appetit vergangen. Auf wiedersehen. (ab).
1. Gast:
Ups, jetzt habe ich dir wohl die Kundschaft vergrault!
Wirt:
Ich glaube nicht, das er wirklich was wollte außer
nachzufragen, ob der da hinten noch lebt. Das schlechte Gewissen hat
ihn wohl geplagt.
1. Gast: Du, ich beende erst einmal meinen
Frühschoppen. Bis morgen! (ab)
Wirtin: (kommt mit einer
Liste wieder) Ich habe eben mal nachgerechnet, mit dem Geld, was uns
der Fremde für den Verletzten gegeben hat, kommen wir
soweit(zeigt auf den Zettel). Ich glaube aber nicht, das er dann
schon auf den Beinen ist. Soviel (zeigt wiede auf eine Stelle des
Zettels) werden wir wohl mindestens noch brauchen. Hoffentlich kommt
er wieder, wie er es versprochen hat.
Wirt: Ich denke schon,
das er Wort halten wird. Wie einer aus der Regierung sah er nämlich
nicht aus. Es gibt noch Leute, die das auch tun, was sie versprechen.
Wirtin: Dein Wort in Gottes Ohr. Es ist schon erschreckend,
was das heute alles kostet. Ich frage mich immer wieder, warum das
alles so teuer ist. Langsam glaube ich immer mehr daran, das sich
wirkliche Hilfe nur noch die mit dem großen Portmoney leisten
können. Und der Arme muß sehen, wo er bleibt.
Wirt:
Zum Glück gibt es immer noch Leute, die erst einmal helfen. Auch
für naß. Und das einfach, weil für diese der Begriff
Nächstenliebe noch etwas bedeutet. Allerdings hast du schon
recht, ganz ohne Geld geht es auch da nicht. Warum steht denen, die
es brauchen könnten nur immer so wenig Geld zur
Verfügung?
(zwei neue Gäste kommen und gehen an den
Stehtisch)
Osmar: Herr Wirt, zwei Bier, eins für mich,
und eins für meinen Kumpel.
Oskar: Mensch Osmar, du gibst
einen aus? Hast du Geburtstag?
Osmar: Ne, mir ist halt so.
Oder willst du, das ich och Finanzprobleme kriege.
Oskar:
Finanzprobleme? Geht’s dir so schlecht?
Osmar: Ne, mir
nicht, aber dem Rennfahrer. Du weeßt schon!
(Wirt bringt
Bier)
Oskar: Wen meinst denn du?
Osmar: Na der mit dem
roten Auto. Habe ich jetzt erst mal in de Zeitung gelesen. Der ist
echt in der Petrullie.
Oskar: Was du nicht sagst, Und du
meinst wirklich den mit dem schnellen Auto.
Osmar:
ja.
Oskar: Kann ich mir gar nicht vorstellen. Verdient der
denn wirklich sowenig. Ich dachte immer, der sei reich.
Osmar:
Reich, nu wie mans nimmt. 160 Millionen im Jahr tut er verdienen.
Oskar: Na dann Hut ab. Hatte nie gedacht, das man soviel auf
Dauer immer wieder ausgeben kann.
Osmar: Das kann auch kein
Mensch für den Eigenbedarf.
Oskar: Hast du nicht gerade
gesagt, das er finanzielle Probleme hat .
Osmar: Ja, aber
eben gerade anders herum. Er weiß nicht, wie er sein Geld
ausgeben soll.
Oskar: Uih. Auf den Schock muß ichwas
trinken. Prost!
Osmar: Schock?
Oskar: Und was für
einer. Bei mir ist am Ende vom Geld noch immer ein haufen Monat
übrig. Prost.
Osmar: Prost.
Oskar: Vielleicht ist
er ja dankbar für ein paar Tipps, wie man Geld ausgeben kann.
Osmar: Nun, sollte man da nicht als erstes einmal aufhören,
weiter Geld einzunehmen, zu verdienen.
Oskar: Bei solchen
Beträgen, kann man da eigentlich noch von verdienen
reden?
Osmar: Apropo verdienen. Du, womit hat der da hinten es
eigentlich verdient, das er so fertig gemacht wurde. Womit verdient
es der eine, für ein bißchen Autofahren viel Geld zu
bekommen das er es gar nicht mehr ausgeben kann und womit verdient es
der andere, so großes Elend, Hunger, Krieg und was weiß
ich alles ertragen zu müssen. Wenn mir mal jemand das endlich
beantworten könnte.
Oskar: Da behaupte ich
jetzt einmal, das liegt einfach daran, das wir alle so wie wir hier
sind , das wir alle immerzu zwei Herren gleichzeitig dienen wollen.
Wir versuchen Gott zu dienen und dienen doch gleichzeitig alle dem
Mammon. Und dadurch verdienen die einen ständig mehr Geld als
sie brauchen und die anderen Not und Elend, mehr als sie gebrauchen
können. Wer dient, verdient!
Osmar: Wie jetzt, jedem das
seine oder was? Paß mal auf du, ich diene nicht dem Mammon.
Oskar: Doch. Und das könnte ich dir beweisen. Aber damit
du dich beruhigst. Ich bin nicht besser als du. Auch ich diene mit
einem drittel meiner Zeit, einem drittel meiner Kraft, einem drittel
meines Lebens dem Mammon. Und das solange, wie ich von jeder Mark
oder Euro, den ich ausgebe, durchschnittlich gesehen, ein drittel an
die Herren des Geldes abgebe. Auch, wenn dies meist unwissentlich
geschieht.
Osmar: Was hast du denn nur gegen Leute mit Geld.
Es gibt doch soviel Möglichkeiten, mit seinem Geld anderen zu
Helfen.
Oskar: Dann sollte man aber den Unterschied zwischen
Spende und Opfer beachten. Nur mit Spenden wird niemand das Problem
lösen. Das gänge nur mit einem Opfer.
Osmar: Du
redest in Rätseln. Das ist doch ein netter Zug, wenn einer mal
ein paar Millonen für einen wohltätigen Zweck spendet.
Oskar: Ne, in meinen Augen
ist das Scharlatanerie. Wer eine Million spenden kann, hat doch
vorher erst anderen mindestens zwei Millionen abgenommen. Wie auch
immer immer. Dadurch ändert sich nichts an dem Grundproblem. Das
geht eben nur durch ein Opfer. Oder wir sind alle die Opfer.
Wirtin:
Redet ihr wieder von Dingen, die ihr doch nicht ändern könnt?
Was dein reden von Opfern betrifft, dort hinten liegt eines. Und da
wird es dann kongret, wie deine Hilfe aussieht. Wißt ihr, ich
denke manchmal, wer immer nur redet, will am ende gar nichts tun. Und
selbst wenn er es will, kann er es meist nicht, weil er ja reden muß.
Wirt: (kommt) seid mal bischen leiser. Er ist eingeschlafen.
Schlaf ist immer noch mit die billigste Medizin. Solange er schläft,
merkt er wenigstens seine Schmerzen nicht.
1 Gast: (kommt mit
einem Umschlag in der Hand wieder) Hallo, ich mußte noch einmal
wiederkommen. Ich habe nachgedacht. Und da ist mir eingefallen, das
es heißt, was du einem meiner geringsten Brüder angetan
hast, hast du auch mir angetan. Und da wollte ich euch das hier
geben, für den Verletzten. Verbände wechseln oder Leuten
gut zu reden liegt mir nicht. Aber das hier wird euch sicher auch
helfen.
Wirtin: Danke! Wenn ich ehrlich bin, von dir hätte
ich das nicht erwartet.
Oskar: Was willst du denn. Du hast
doch eben davon geredet: Nicht Reden, sondern Handeln. Das ist doch
auch eine Handlung.Prost.
E N D E