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Das Kamel im Nadelöhr

Text: Heidus der Germane

(mat. 19, 16-26; mk 10, 17-26; lk 18, 18-30)

(Joakin und Barti kommen, Barti angetrunken, Joakin fast nüchtern)

Barti: Mensch Joki, war das eine Fete. Du bist der Größte. Was du alles aufgefahren hast.

Joakin: Nur das Beste. Für meine Freunde ist das Beste eben gerade gut genug. Wenn du noch etwas Zeit hast, ich würde mich gern etwas mit dir unterhalten.

Barti: Nimm es mir nicht übel, aber ich bekomme keinen Tropfen mehr rein ohne überzulaufen.

Joakin: Bruder Ulf?

Barti: (rülpst hinter vorgehaltener Hand) Ja.

Joakin: Reden wir eben ein andermal.

Barti: Nein, nein. Es waren höchstens drei Becher über den Durst. In diesem Zustand habe ich für alles Verständnis. Kannst ruhig reden, ich höre zu.

Joakin: Weißt du, eigentlich kann ich mir alles leisten. Aber trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, es fehlt noch etwas.

Barti: Werde mal genauer. Was fehlt dir denn?

Joakin: Wenn ich es wüßte. Das ist so ein Gefühl.

Barti: Ein Gefühl, das meinst du! Laß mich Nachdenken. Ja, dein Nachbar, der Schneider hat doch schöne Töchter.

Joakin: Keine Weiber. Es ist etwas anderes.

Barti: Was denn dann?

Joakin: Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. So eine Art Leere, Sehnsucht nach Leben.

Barti: Sehnsucht nach Leben? Bist du etwa Tod?

Joakin: Quatsch. Ich lebe und das nicht schlecht. Trotzdem ist das alles hier doch eigentlich kalter Kaffee. Da muß es doch irgenwie noch etwas mehr geben.

Amos: (kommt hinzu) Hallo Joki! Barti! Seid gegrüßt! Schon munter?

Joakin: Immer noch, Amos, immer noch.

Barti: Du kommst gerade recht. Unser Freund Joki leidet unter Weltschmerz.

Amos: Wie das?

Joakin: Irgendwie komme ich mit dem Leben hier nicht mehr zurecht. Das kann doch nicht das wahre Leben sein. Geboren werden, Lernen, Feten und Feiern, Heiraten, Kinder kriegen, Zeit vertreiben, Sterben, Soll das alles sein?

Amos: Manche müssen dazwischen noch arbeiten.

Barti: Arbeit? Was ist das?

Amos: Spaß beiseite. Du hast schon irgendwie recht. Die Welt ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Man hört doch nur noch schlechte Nachrichten. Selbst die Bettler werden immer mehr.

Barti: Die sind doch nur zu faul zum arbeiten. Leben lieber von Almosen.

Amos: Na du mußt es ja wissen. Aber das etwas schiefläuft in unserem Land, das Gefühl habe ich auch.

Joakin: Ich habe neulich gehört, so ein Wanderrabbi predigt den Leuten das ewige Leben.

Barti: Wanderrabbi? Etwa der Verrückte? Der soll es wunderbar verstehen den Plebs auf das Reich Gottes zu vertrösten. In Galiläa hat er da auf einem Berg eine tolle Rede gehalten. Jesaja oder so ähnlich heißt der.

Amos: Jeschua! Man erzählt allerhand merkwürdiges von ihm. Soll Krüppel heilen und tolle Sprüche drauf haben.

Joakin: (nachdenklich) Manchmal träume ich, das ich unsterblich wäre. Eine schreckliche Aussicht. Ewig der gleiche Trott. Aber ewiges Leben bei Gott. Da müßte doch eigentlich alles anders sein. Ich habe zwar keine Vorstellung wie, aber bestimmt lebendiger. Fragt man sich nur, wer wird zu diesem Leben erwählt? Welche guten Taten müßte man tun?

Barti: Gute Taten klingen immer so nach Märchen. Und falls ewiges Leben und Reich Gottes zusammen gehören, seh ich da keine Probleme. Mein Vater sagt immer, Reichtum ist der Lohn, Armut die Strafe Gottes. Wir gehören alle zu Gottes erwählten Volk und im Gegensatz zu mir bist du auch noch reich. Also bist du doppelt erwählt.

Amos: Wer sich auf seinen Reichtum verläßt, fällt wie ein Blatt im Wind, sagt Salomo.

Barti: Jedem seine Meinung.

Amos: Wie ich gehört habe, soll der Jeschua heute hier vorbeikommen.

Joakin: Gehen wir doch einmal zu ihm. Soll er uns sagen, wie man das ewige Leben bekommt.

Amos: Ich wollte euch ohnehin fragen, ob ihr mitkommt.

Barti: Nee du, fromme Reden kann ich mir auch im Tempel anhören. Wenn es um praktische, handfeste Dinge gänge, aber so. Die Nacht war lang, ich geh pennen. Außerdem ist mir dieser Jesaja ... oder Jeschua zu volkstümlich. Liegt nicht auf meiner Wellenlänge der Junge. Bis zur nächsten Fete. Tschüß. (alle drei ab)

Mutter: (kommt) Rahel! Rahel! -- Wo steckt das Mädel bloß wieder. Sie ist doch kein Kind mehr, da könnte sie mir ruhig mal im Haus helfen. Alles muß man allein machen. Da hat man nun Kinder und hat doch keine.

Rahel: So, da bin ich wieder.

Mutter: Kann mir mein Fräulein Tochter einmal verraten, wo es sich um diese Zeit herum treibt?

Rahel: Ich war nur kurz auf dem Markt. Ich sollte für Vater etwas holen.

Mutter: Nun ja, ist ja gut. Deine Schwester heiratet in vier Wochen, und noch nichts ist fertig. Vater macht diese Heirat aus und an mir bleibt die ganze Vorbereitung hängen. Als ob das nicht noch Zeit gehabt hätte.

Vater: Was hätte noch Zeit gehabt?

Rahel: Saphiras Hochzeit.

Vater: Nichts ist mit Zeit. Saphira ist schon 18. Es ist höchste Eile, das sie unter die Haube kommt. Und Joram ist der reichste Händler in der ganzen Gegend. Er ist eine gute Partie, die beste überhaupt.

Rahel: Aber er ist schon ziemlich alt. Und Kinder hat er auch schon. Ich möchte nicht einen so alten Mann heiraten.

Mutter: Da werden wir Frauen leider nicht gefragt. Aber ich bin ja mit deinem Vater auch glücklich geworden.

Vater: Hast du den Stoffballen geholt?

Rahel: Ja, er liegt in der Werkstatt. (Vater ab) Muß Saphira wirklich diesen Joram heiraten?

Mutter: Weißt du Rahel, für fünf Töchter die Mitgift aufzubringen ist nicht leicht. Und Joram ist so reich, das er nicht viel verlangt hat.

Rahel: Womit handelt Joram eigentlich? Alle reden immer so geheimnisvoll von ihm.

Mutter: Mit Geld. Er handelt mit Geld. Er leiht es und verleiht es wieder. Und was er verleiht nimmt er doppelt und dreifach zurück.

Rahel: Ich denke, das darf man nicht. Schon seit Moses Zeiten.

Mutter: Ach Kind. Wenns ums Geld geht --

Rahel: Und unsere Regierung oder die im Tempel, verbieten die das nicht?

Mutter: Die verdienen doch auch mit daran.

Rahel: Das verstehe ich nicht.

Mutter: Das brauchst du auch nicht. Denn wie das mit dem Geld wirklich funktioniert, verstehen nicht einmal die Männer. Kehre du lieber die Straße vorm Haus und ich stell mich hinter den Herd. Das verstehen wir besser. (ab)

Rahel: Vieleicht kann ich Vater mal fragen, wenn er Zeit hat. (ab und holt Besen)

Amos: (kommt mit Joakin wieder) Da haben wir aber eine ganz schöne Abfuhr erhalten. "Was fragst du mich, was gut ist. Gut ist nur einer." Als ob wir alle schlecht wären.

Joakin: Engel sind wir jedenfalls keine. Und er hat uns ja auch nicht schlecht genannt.

Amos: Geklungen hat es aber so.

Joakin: Jedenfalls lohnt es sich einmal darüber nachzudenken.

Rahel: (kommt wieder) Hallo Jungs, wo kommt ihr denn so zeitig her.

Amos: Von Jeschua.

Rahel: Von Jeschua? Wirklich?

Joakin: Ja.

Rahel: Toll, habt ihr mit ihm gesprochen?

Joakin: Haben wir.

Rahel: Und über was?

Amos: Über das ewige Leben.

Rahel: Was hat er denn dazu gesagt?

Joakin: Wer mit Gott leben will, muß die Gebote befolgen.

Rahel: Welche Gebote?

Joakin: Die üblichen, morde nicht, zerstöre keine Ehe, stehle nicht, ehre die Eltern, usw.

Rahel: So geknickt wie ihr ausseht, scheint ihr ja alle gebrochen zu haben. Und jetzt habt ihr Null Chance.

Amos: Unsinn! Die Gebote haben wir immer alle gehalten. Fast immer. Aber Null Chance, stimmt schon irgendwo. Die Gebote halten reicht ihm eben nicht aus. Wenn ihr mich fragt, dieser Jeschua macht einem das Leben unnötig schwer. Hätten wir ihn nur nicht gefragt. Ich brauch jetzt erst einmal etwas Ablenkung. Arbeit, ich komme.Tschüß! (ab)

Rahel: Was sollt ihr denn noch tun?

Joakin: Ach, das kapierst du eh nicht.

Rahel: Laß mich nicht unwissend sterben. Was hat er noch gesagt?

Joakin: Verkaufe alles was du hast und gib den Erlös den Armen. Und dann gehe mit mir.

Rahel: Hä? Verstehe ich nicht.

Joakin: Verkaufe alles was du hast und gib den Erlös den Armen, hat er gesagt.

Rahel: Das hab ich gehört. Was er damit meint verstehe ich nicht.

Joakin: Das, was er gesagt hat.

Rahel: Na dann verkaufe eben etwas. Du bist doch reich genug. Fällt dir doch nicht schwer.

Joakin: Er sagte "verkaufe alles".

Rahel: Nichts wird so heiß gegessen wie es gekocht wird.

Joakin: Du verstehst das eben nicht. Als ich wegging hörte ich noch, wie er zu seinen Freunden sagte: Ein Reicher hat es schwer, in die neue Welt Gottes zu gelangen. Eher kommt ein Kamel durch das Nadelöhr als ein Reicher in das Reich Gottes.

Rahel: Na siehst du, alles halb so schlimm. Als Tochter eines Schneiders sage ich dir, manchmal bekommt man kaum den Faden durch das Öhr. Also war das mit dem Kamel als ein Witz gedacht.

Joakin: Nur leider hat bei dem Witz keiner gelacht. (ab)

Rahel: (kehrt Straße) Irgendwas ist ihm nicht bekommen. Vieleicht haben die gestern doch zu lange gefeiert.

Hanna: Rahel! Hallo!

Rahel: Hallo Hanna. Wie kommst du denn in unsere Gegend?

Hanna: Mein Vater schickt mich. Ich soll dem deinigen etwas ausrichten.

Rahel: Vater ist in der Werkstatt.

Hanna: Stimmt es das deine Schwester heiratet? Sarah hat sowas erzählt.

Rahel: Hab auch sowas gehört.

Hanna: Ist das nicht eine Frechheit von Joram, euch so auszunutzen. Und das alles wegen dem Brand damals.

Rahel: Was für ein Brand, wieso Frechheit und ausnutzen?

Hanna: Ja weißt du das denn nicht.

Rahel: Was soll ich wissen.

Hanna: Da hätte ich wohl lieber nicht damit anfangen sollen.

Rahel: Erzähle, eher lass ich dich nicht weiter.

Hanna: Nun gut. Ich weiß es von meinem Vater. Vor ungefähr 17 jahren ist doch hier das ganze Stadtviertel abgebrandt. Von einer Stunde zur andern sind alle Leute arm geworden. Entweder sind sie weggezogen, wie mein Vater oder sie haben bei Joram und anderen Geldverleihern Kredite aufgenommen. Wie dein Vater. Und die Zinsen sind nicht wenig gewesen. Und deshalb, sagt mein Vater, muß Saphira jetzt den Joram heiraten, als Schuldenbezahlung praktisch.

Rahel: Sag daß das nicht stimmt. Das würde ja heißen, mein Vater verkauft meine Schwester. Das würde Vater niemals tun.

Hanna: Und wenn die Not es gebietet.

Rahel: Das kann ich nicht glauben. (ab)

Hanna: O je, da hab ich ja was angestellt. (ab)

Joakin: (kommt und setzt sich auf eine Bank) Eher kommt ein Kamel durch das Nadelöhr, als das ein Reicher in das Reich Gottes kommt. Warum nur soll es ein Reicher so schwer haben, in Gottes Neue Welt, zum ewigen Leben zu kommen. Reich sein ist doch kein Verbrechen. Nie habe ich jemanden etwas weggenomen, jemanden ausgeraubt oder sonstwie ausgenutzt. Alles habe ich von meinem Vater geerbt, und der hat es von seinen Vater. Ich wüßte nicht das es je etwas unrecht Erworbenes in unserer Familie gegeben hat. Und trotzdem soll mir das ewige Leben verschlossen sein, nur weil ich reich bin.

Saphira: Hallo Nachbar!

Joakin: Ach Saphira.

Saphira: Wenn ich dich so ansehe, scheinst du heute deinen Moralischen zu haben. Ein Gesicht wie ein Fragezeichen.

Joakin: Seit heut Morgen haben ich auch hundert Fragen. Aber keine Antworten.

Saphira: Ist es wegen deiner Begegnung mit Jeschua?

Joakin: Ja.

Saphira: Rahel erzählte sowas.

Joakin: Dann weißt du doch schon alles.

Saphira: Ich weiß nur, das du dir seine Antwort nicht erklären kannst.

Joakin: Ja wie denn auch? Das klingt, als ob jeder Reiche ein Gauner wäre, der - nun ja - zumindest auf Kosten anderer lebt.

Saphira: Leben denn die Reichen nicht immer auf Kosten der Armen? Nutzen sie die nicht immer irgendwie aus?

Joakin: Andere Vieleicht. Aber ich habe noch nie jemanden ausgenutzt. Außerdem war davon auch gar keine Rede. Es ging ja erst darum, alles, wirklich alles zu verkaufen und das Geld dann zu verschenken. Und das kann ich nicht. Jede Sicherheit aufzugeben, freiwillig ein armer Schlucker, vieleicht sogar ein Bettler zu werden? Das kann doch keiner verlangen.

Saphira: Ich glaube, wir haben nur deshalb so viele arme Schlucker und Bettler, weil es einige sehr, sehr Reiche gibt? Leute, die nicht auf ihr heißgeliebtes Geld verzichten können. Würden es nicht sofort viel weniger Arme auf dieser Welt, wenn die Reichen ihr Vermögen hergäben und es verteilten?

Joakin: Das hieße doch, das die Reichen ihr schwer verdientes Vermögen, also den Lohn ihrer Arbeit hergeben müßten. Das kann keiner verlangen. Wer oder was sichert uns dann die Zukunft?

Saphira: Den Lohn Ihrer Arbeit hergeben? Wenn es nach der Arbeit gänge, müßten meine Eltern superreich sein, so wie die schuften tun. Und ich müßte nicht diesen Joram heiraten. Ich kenne keine wirklich Reichen, die Ihr Vermögen durch ehrliche Arbeit erworben haben. Oder hast du schon einmal gearbeitet? Womit verdienst du denn dein Geld?

Joakin: Das geht keinen was an. (dreht sich weg)

Saphira: Wenn du dein Geld ehrlich verdienst, kannst du auch sagen womit. Nur Räuber müssen die Herkunft ihrer Schätze verbergen.

Joakin: Wenn du es genau wissen willst, ich lasse mein Geld für mich arbeiten.

Saphira: Du läßt dein Geld arbeiten?

Joakin: Ja!

Saphira: Deshalb haben wir soviel Arbeitslose!

Joakin: Hä?

Vater: (kommt mit Hanna) Sage deinem Vater viele Grüße. Und ich werde es mir überlegen. Jedenfalls vielen Dank für Nachricht.

Hanna: Ich richte es aus. Und wenn ihr etwas braucht, sollt ihr es nur sagen. Er hilft euch gern.

Vater: Er ist halt ein rechter Freund. Ich danke ihm.

Hanna: Shalom, Meister Simon.

Vater: Shalom Hanna. (ab)

Saphira: Hanna, schön das ich dich noch sehe. Rahel sagte, das du da wärst.

Hanna: Hallo ihr zwei, sieht aus, als ob ihr euch gestritten hättet.

Joakin: Hallo!

Saphira: Nur ein kleiner Knatsch unter Nachbarn. Weißt du was, ich begleite dich noch ein Stück. Da können wir endlich wieder einmal quatschen.

Hanna: Einverstanden! Sag mal, wie fühlst du dich jetzt denn so als Braut?

Saphira: Wenn ich ehrlich sein soll, lieber wäre es mir, die Hochzeit mit Joram würde ausfallen. (Beide ab)

Amos: (kommt und setzt sich zu Joakin) Wie geht es dir?

Joakin: Bescheiden!

Amos: Mir geht es nicht anders. Ich komme über heute morgen nicht hinweg.

Joakin: Das Kamel im Nadelöhr?

Amos : Ja. Ich bin sogar am Stadttor gewesen und hab mir die kleine Pforte, das Nadelöhr einmal genau angesehen. Freiwillig geht da wirklich kein Kamel durch. Viel zu klein der Durchgang. Ich habe mich dann an den Straßenrand gesetzt und muß wohl beim grübeln eingeschlafen sein. Jedenfalls träumte ich, das sei der Durchgang zum Paradies. Und ich sei ein großes Kamel. ...

Rahel: (ist unbemerkt dazugekommen) Da gehört ja nicht viel Fantasie dazu!

Amos: Ach du schon wieder.

Joakin: Rahel, du störst. Rede weiter Amos.

Rahel: Ist ja schon gut. Aber zuhören darf ich doch?

Amos: Von mir aus. Also, ich träumte, so groß wie ein Kamel zu sein. Und der einzige Weg ins Paradies ging durch das Nadelöhr. Als ordentliches Kamel hatte ich natürlich viele Waren auf meinem Rücken. Und ich wollte unbedingt da rein. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich es probiert habe, auf Knien, kriechend, mit Gewalt. Und was weiß ich noch alles. Jedenfalls kam ich nicht rein. Bis ich anfing, die Waren auf meinem Rücken abzuladen. Und erst als alles runter war, konnte ich durch die Pforte. Im Nadelöhr drehte ich mich noch einmal um und sah die Ware, die ich getragen hatte. Und weiß du, was das plötzlich für Ware gewesen ist?

Joakin: Woher soll ich das wissen.

Rahel: Machs nicht so spannend!

Amos: Geld, die Ware war Geld. So viel hatte ich noch nie gesehen.

Rahel: Wie du zu dem ganzen Geld gekommen bist, hast du nicht geträumt. Oder?

Amos: Als ich aufgewacht bin, war ich richtig erleichtert. Oft habe ich dich um dein Geld etwas beneidet, Joakin, aber nach diesem Traum bin ich richtig froh, nicht soviel Geld zu haben wie du. Reichtum muß manchmal schon eine ganz schöne Last sein.

Joakin: Sicher ist Geld ein zweischneidiges Schwert. Du hast dich in deinem Traum von dem Ballast Geld befreit, hast also das getan, was der Jeschua gefordert hatte. Aber ich frage mich: warum fordert er das. Das muß doch einen besonderen Grund haben. Wie ich gehört habe, hat er schon öfters über den Umgang mit Geld gesprochen.

Rahel: Neulich habe ich auch eine Geschichte gehört, die Jeschua erzählt haben soll. Da ging es auch ums Geld. Mal sehen, ob ich sie noch zusammen kriege. Ja, er erzählte, ein Mann wollte verreisen. Seinen Dienern übergab er in der Zwischenzeit sein Geld zur Aufbewahrung. Dem Ersten Fünftausend, dem Zweiten dreitausend und dem Dritten tausend Taler. Die ersten beiden nutzten das Geld zum Handeln. Nach kurzer Zeit hatten die beiden das Geld verdoppelt. Der Dritte vergrub das Geld, damit es niemand stehle. Als der Mann zurück kam, bekam er vom ersten Zehntausend und vom zweiten Füntausend Taler wieder. Da freute er sich und lud sie zu seinem Fest ein.

Joakin: Würde ich auch tun.

Mutter: ( kommt) Rahel! Rahel! Hörst du nicht!

Rahel: Was ist denn?

Mutter: Komm essen. Und hast du Saphira gesehen?

Rahel: Nein!

Mutter: Wo steckt sie denn wieder?

Joakin: Sie begleitet Hanna.

Rahel: Dann kanns dauern.

Mutter: Kinder! Kinder. Soll Vater erst wieder wild werden.

Vater: Wer wird hier wild. Ich bin doch die Ruhe in Person.

Amos: Rahel, erzähle bitte noch den Rest der Geschichte.

Rahel: Darf ich noch schnell.

Vater: Freilich.

Mutter: Aber beeilt euch, sonst wird das Essen kalt. (ab)

Rahel: Als er vom dritten nur seine Tausend vergrabenen Taler wiederbekam wurde er böse und sagte: Warum hast du das Geld nicht wenigsten zur Bank gebracht. Dort hättest du Zinsen bekommen. Danach ließ er ihm alles wegnehmen und gab es dem Ersten. Ihn selber ließ er davonjagen.

Joakin: Ganz schön streng.

Vater: Aber gerecht.

Amos: Gerecht? Seine Tausend Taler hat er wiederbekommen. Und die Empfehlung mit den Zinsen ist ja auch nicht ganz Koscha. Schon Mose schreibt, das man von seinen Brüdern nicht mehr zurückverlangen soll, als man ihnen geliehen hat. Und im weitesten Sinne sind doch alle Menschen Brüder.

Vater: Welches Leid Zinsen über die Menschen bringen weiß ich selbst sehr gut. Und trotzdem hat der dritte noch etwas schlimmeres getan.

Rahel: Was denn, Vater?

Amos: Das verstehe ich auch nicht?

Vater: Er hat das Geld vergraben.

Amos: Wieso soll das noch schlimmer sein, als Zinsen zu nehmen?

Vater: Jeder Handel, jede Wirtschaft benötigt Geld. Nicht zuviel und nicht zuwenig. Gibt es zuviel Geld, ist es nichts wert. Wenn jetzt aber jemand plötzlich Geld vergräbt, egal ob in der Erde oder im Sparstrumpf, gibt es zuwenig Geld. Das kann jeden Handel schlagartig ruinieren.

Rahel: Ist denn Geld so wichtig?

Vater: Geld ist sogar die wichtigste Erfindung der Menschheit. Stellt euch nur einmal vor, wie schwierig es wäre, wenn wir alle Ware gegen Ware tauschen müßten. Ich als Schneider habe ein Kleid genäht, brauche aber ein Brot für meine Familie. Jetzt müßte ich so lange suchen, bis ich einen Bäcker gefunden habe, der gerade ein Kleid braucht. Oder ich müßte solange Dinge tauschen, bis ich zu meinem Brot komme. In der Zwischenzeit ist meine Familie verhungert.

Mutter: (kommt) Kommt ihr nun endlich rein oder soll ich euch das Essen hier draussen servieren?

Rahel: Gleich. Vater erklärt uns gerade wie wichtig Geld ist.

Mutter: Tut er das. (zum Vater) Dann solltest du auch einmal erklären, warum diejenigen, die es brauchen nie genug haben.

Vater: Weil das Geld im Vergleich zum Brot nicht schlecht wird.

Mutter: Ja, ja, und Geld stinkt nicht. Wenn man keins hat, sollte man auch nicht darüber reden.

Amos: ... nicht schlecht wird? Mir ist aufgefallen, überall heißt es: Wir haben kein Geld, wir können das nicht mehr zahlen usw. Kommt das davon, das es viele gibt, die welches vergraben haben?

Vater: Viele dürften es nicht sein. Die meisten haben ja gerade soviel, das es zum Leben reicht. Die Reichen allerdings können dafür um so mehr vergraben.

Mutter: Die Herrschaften unterhalten sich über Dinge, die sie nicht haben und auch nicht ändern können. Und mein Essen interessiert hier keinen.

Vater: Ist ja schon gut. Wir kommen.

Joakin: Könnt ihr uns auch den Zusammenhang mit den Zinsen erklären?

Vater: Wißt ihr was, Ich lade euch ein. Kommt und esst mit uns. Dann können wir weiter reden.

Mutter: Es gibt aber nur Hirsebrei.

Amos: Hirsebrei? Wenn davon die Rede ist, bekomme ich immer Hunger.

Vater: Na dann, hier ist die Tür. Hereinspaziert.

Rahel: Und Saphira? Sie ist noch nicht wieder da.

Mutter: Wer zu spät kommt, den bestraft der Hunger. (alle ab)

(Barti und Saphira kommen)

Saphira: Wo hast du denn das schicke Band her?

Barti: Ein echtes Werbegeschenk. Das grüne Band der Sympathie.

Saphira: Von wem hast du denn das bekommen?

Barti: Du wirst es nicht glauben. Kaum hatte ich mich heute Morgen hingelegt, habe ich Besuch bekommen. Und weißt du von wem? (holt eine Karte hervor) Aber hier lies selbst.

Saphira: (Liest) Herodes ben Joram, Anlageberater und Finanzgeschäfte weltweit. Wer ist das?

Barti: Herodes ben Joram, dein künftiger Stiefsohn.

Saphira: Und was wollte dieser Wucherer von dir?

Barti: Wucherer war gestern, heute heißt es Banker. Von ihm ist dieses Band. Wir haben uns ein wenig unterhalten. Über die Wirtschaftslage, Politik und Geld. Was eben alles so zusammengehört. Und dann hat er mir Horizonte geöffnet. Endlich habe ich einen Weg gefunden, ohne Arbeit reich zu werden. Dabei ist das ganz einfach. Herodes meint, eines Tages werden alle Menschen einmal auf diese Art ihr Leben absichern.

Saphira: Was du nicht sagst. Und alles ohne jede Arbeit?

Barti: Das Zauberwort heißt Zins und Zinseszins.

Saphira: Aber ...

Barti: Ich weiß schon, uns Juden ist das verboten. Doch in anderen Ländern gelten nicht solche überholten Gebote. Es wird auch bei uns langsam Zeit sich von diesen alten Wertvorstellungen zu trennen und Entwicklungshindernisse aus dem Weg zu räumen. Aber das ist alles nur eine Frage von Geld und Zeit. Wie sagte Herodes so schön: Wir machen den Weg frei.

Saphira: Und wie soll das gehen?

Barti: Ganz einfach. Herodes hat mir da ein Beispiel erklärt. Das zeigt deutlich, wie man reich werden kann. Nimm nur einmal an, du legst heute einen Silberling mit 5 % Zinsen bei einer Bank an. In 1403 Jahren kannst du dir dann von dem Ersparten eine goldene Kugel vom Gewicht unserer Erde kaufen.

Saphira: In vieviel Jahren?

Barti: 1403

Saphira: Meinst du, das du das noch erlebst?

Barti: Unsinn. So alt wurde nicht einmal Methusalem. Das war ja auch nur ein Beispiel. Wenn man es zu etwas bringen will, muß man natürlich höher einsteigen. Bei 2 Silberlingen sind es nur noch 700 Jahre, bei 4 nur noch 350 usw.

Saphira: Verrechnest du dich da nicht? Abgesehen davon, hast du dir schon einmal überlegt, wo das ganze Gold am Ende herkommen soll?

Barti: Vertrauen ist der Anfang von allem. Herodes sagt, das einzige, was wir dafür benötigen ist eine ewig wachsende Wirtschaft. Wachstum, Wachstum und nochmals Wachstum.

Saphira: Nun, davon verstehe ich nichts. Ich weiß nur, das Bäume zum Glück nicht in den Himmel wachsen.

Barti: Ist ja auch egal. Ich glaube jedenfalls, das wir alle bald sehr reich sein werden.

Saphira: Glaubst du das wirklich?

Barti: Was heißt hier glauben. Da bin ich mir absolut sicher. Oder wenn du willst, Todsicher!

Saphira: Der scheint mir das einzig sichere dabei.

Barti: Aber wegen deiner bedenken. Falls wirklich etwas außergewöhnliches, unvorhersehbares geschehen sollte, meinetwegen nicht genügend Gold da ist für alle. Für diesen Fall gibt es eine Versicherung, Eine sogenannte Geldbildungsversicherung.

Saphira: Wer bietet denn so was an?

Barti: Na der Kaiser persönlich. Oder hast du noch nie was davon gehört: Humbug-Alzheimer, mehr vom Leben.

Saphira: Alzheimer? Aha. Und was hast du jetzt vor?

Barti: Ich beschaffe mir das Startkapital für meinen Weg in den Wohlstand.

Saphira: Wieviel brauchst du denn da?

Barti: Es gibt da einen Idealbetrag, mit dem haben die meisten Reichen einmal angefangen.

Saphira: Wie hoch wäre der Idealbetrag?

Barti: Dreißig Silberlinge. Tschüß. (ab)

Rahel: Saphira! Wo bleibst du denn nur. Mutter hat noch etwas Hirsebrei warmgestellt für dich. Sie war ganz schön sauer, das du nicht zum Essen da warst.

Saphira: Das hatte ich ganz vergessen. (beide ab)

(Vater, Joakin und Amos kommen wieder)

Amos: Habe ich euch richtig verstanden. Durch die Zinsen wird das Geld ständig von denen, die wenig haben, zu denen, die ohnehin schon Viel haben, geschaufelt.

Vater: Geschaufelt. Das ist der richtige Ausdruck.

Joakin: Nie hätte ich geglaubt, das Zinsen etwas so heimtückisches sind.

Vater: Irgendwo muß ja alles herkommen. Lustig finde ich es immer wieder, wenn mir einer erzählt, er habe sein Geld dem und dem Wucherer geliehen und bekomme dafür so und so viel an Zinsen. Meist freuen sich diejenigen noch über das tolle Geschäft, welches sie gemacht haben. In Wahrheit sind sie doch die Dummen. Jeden einzelnen Silberling Zins müssen sie sich selbst hart erarbeiten.

Amos: Woher wißt ihr das eigentlich alles, Meister Simon? Ich habe heute das alles zum erstenmal gehört.

Vater: Jehudi, der Vater von Hanna, kannte einmal einen Gesell (Silvio Gesell, deutsch-argentin. Kaufmann anf. 20. Jh), der hat sich damit beschäftigt und die Zusammenhänge heraus bekommen.

Amos: Wenn ich richtig gerechnet habe, Meister Simon, so habt ihr den geliehenen Betrag schon lange zurückgezahlt. Aber durch die Zinsen seid ihr immer noch hochverschuldet.

Vater: (zitiert) Der Reiche hat den Armen in seiner Gewalt; wer sich Geld leiht wird zum Sklaven seines Gläubigers. Der einzige Ausweg, welcher mir noch bleibt, ist meine Tochter Saphira.

Joakin: Wenn ich ehrlich bin, ich habe nie darüber nachgedacht, woher Joram das Geld nimmt, welches er mir als Zinsen zahlt. Nie hätte ich gedacht, das ihr es euch vom Munde absparen müßt. Ihr habt ja praktisch mit euer Arbeit mich mit versorgt.

Amos: Und nicht nur Meister Simon und seine Familie. Selbst ich habe indirekt für dich arbeiten müssen, auch wenn ich keine Schulden bei Joram hatte.

Vater: Stimmt. Bei jeden Kleidungsstück, welches du bei mir gekauft hast, waren Zinsen im Preis enthalten. Immer wenn wir etwas kaufen, sind Zinsen im Preis enthalten. Ständig zahlen wir anderer Leute Schulden.

Joakin: Und ich lasse ständig fremde Menschen für mich arbeiten, ohne einen einzigen zu entlohnen. Jetzt verstehe ich, warum es ein Reicher so schwer hat in das Reich Gottes zu gelangen. Langsam begreife ich, was Jeschua meint, wenn er sagt, ich solle alles verkaufen und es den Armen geben.

Amos: Du sollst ihnen nur das wiedergeben, was du ihnen indirekt weggenommen hast.

Joakin: So richtig begreife ich es zwar immer noch nicht. Doch mein Gefühl sagt mir, das es stimmt. Wer sein Geld arbeiten, wachsen läßt, dabei selber von den Zinsen seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, der lebt auf Kosten anderer.

Vater: Und ist in letzter Konsequenz für Armut, Hunger, ja sogar Krieg verantwortlich. Und er weiß es meistens nicht einmal. Dieser Jeschua kennt sich halt nicht nur in der Theologie aus, sondern auch in der Ökonomie.

Joakin: Meister Simon, gibt es eine Möglichkeit, das Saphira Joram nicht heiraten muß? Ich meine, sie will ihn doch nicht ..., versteht mich bitte nicht falsch.

Vater: Wenn ich bei Joram meine Schulden begleichen kann, könnte ich sein Angebot schon ausschlagen.

Joakin: Meister Simon, erlaubt ihr mir, das ich eure Schulden bei Joram begleiche.

Vater: Was sagst du da? Kommt überhaupt nicht in Frage.

Joakin: Ich meine, Saphira wäre Jorams 4. Frau. Er hat erwachsene Söhne ...

Amos: Überlegt es euch noch einmal. Schließlich ist es ja sozusagen auch seine Schuld, das ihr so hoch verschuldet seid.

Vater: Wie stände ich denn da, wenn jemand anderes meine Schulden bezahlt.

Joakin: Dann leihe ich euch das Geld, zinslos, versteht sich. Morgen gehe ich zu Joram und lasse mir mein Guthaben bei ihm auszahlen.

Vater: Gut, unter diesen Bedingungen bin ich einverstanden.

Joakin: Und noch etwas. Gott sagte zu Adam einmal: Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot verdienen. Bisher habe ich nie arbeiten müssen, meint ihr, das ihr meinen beiden linken Händen das Schneiderhandwerk beibringen könnt?

Vater: Arbeit gibt es genug. Und ohne diese Schuldenlast kann ich wohl auch wieder einen Gesellen bezahlen.

Amos: Mensch Joki, ich glaube, es gibt für dich doch noch einen Weg ins Reich Gottes.


Vater: Na, da sollten wir diese frohe Botschaft mal den Frauen beibringen. (alle ab)

E N D E