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Der große Schlaf

Satirisches Märchenspiel frei nach Motiven von "Dornröschen"
Text: Heidus der Germane

1. Bild

(im Burghof)

Erzähler: In einem Land nicht weit von hier und nicht vor allzu langer Zeit lebten einmal ein König und eine Königin. Beide wurden bereits als Kinder miteinander verlobt. Da aber die Herrscher der benachbarten Reiche diese Verbindung nicht wollten, mußten sich beide mit einer anderen Prinzessin bzw. mit einem anderen Prinzen vermählen. Als aber nach einigen Jahren der Gemahl der Königin verstarb, verließ auch der König seine Gemahlin und heiratete seine Jugendliebe. Da beide nun aber nicht mehr die Jüngsten waren, freuten sie sich umso mehr auf die Geburt ihres ersten Kindes.

König: (läuft aufgeregt hin und her) Wenn es doch nur schon soweit wäre! Was bin ich aufgeregt! Wird es nun ein Prinz - oder eine Prinzessin? Wenn ich es nur wüßte!

Till: (kommt) Majestät, darf ich Euch gratulieren?

König: Gratulieren? Ach so, ist es endlich soweit? Ist es ein Prinz? Sprich schon!

Till: Ja, es ist soweit...

König: Spann mich nicht auf die Folter! Rede!

Till: Eure Gemahlin hat einer Tochter das Leben geschenkt.

König: Eine Tochter, eine Prinzessin, wie schön. Ich muß sie sofort sehen. Komm, begleite mich.

Till: Nicht so hastig. Hast geziemt einem König nicht.

König: Belehre mich nicht dauernd, sonst...

Kanzler: (kommt hinzu) Mein König, darf ich Euch frohe Kunde bringen?

Till: Zu spät, mein Kanzler!

König: Ich habe es bereits erfahren. Ihr dürft mir zu einer Tochter gratulieren..

Kanzler: Dann möchte ich meinem König meinen Glückwunsch aussprechen.

König: Danke.

Kanzler: Verzeiht wenn ich euch in eurer Eile aufhalte. Doch kann ich euch noch schnell betreffs der Festvorbereitungen konsultieren?

Till: Ein Fest! (schlägt Rad oder Purzelbaum) Ein Fest! Man soll die Feste feiern wie die Töchter fallen.

Kanzler: Ich habe mir bereits erlaubt eine Liste aller einzuladenden Personen zu erstellen. Wenn ich Majestät bitten dürfte hier zu unterzeichnen.

Till: (nimmt Liste) Erst überprüfe man die Gäste, bevor man sie lade zu dem Feste.

König: (nimmt Liste) Meinem Kanzler kann ich im Gegensatz zu dir bedingungslos vertrauen. (liest, Till schaut ihm über die Schultern)

Kanzler: Ich hoffe, das Majestät sie bestätigen werden.

König: Sicher, meiner Meinung nach ist sie vollständig. In Ordnung. (unterschreibt) Schicke sofort Boten aus.

Till: Moment. Da fehlen noch welche.

Kanzler: Misch dich nicht immer ein.

König: Alle Großen meines Reiches sind aufgeführt. Ich vermisse niemanden.

Till: Die drei weisen Schwestern fehlen noch.

König: Die drei weisen Schwestern? Wer soll das sein?

Kanzler: Keiner weiß genau wo sie wohnen. Man sagt irgendwo im Osten.

Till: Es ist ein Brauch von altersher sie zu rufen, damit sie ihre Gaben bringen und ihre Wünsche über dem Kind aussprechen.

Kanzler: Hört' nicht auf den Narr. Es ist ...

König: Wer sind diese drei und wie heißen sie?

Till: Im Volke sagt man, es seien Feen. Ihre Namen kann keiner aussprechen. Übersetzt heißen sie soviel wie Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit.

König: Seltsame Namen haben deine Bekannten. Zukunft und Gegenwart, das klingt interessant. Aber Vergangenheit? Was die Zukunft mir bringt, möchte ich schon gerne wissen. Von der Vergangenheit kenne ich aber alles zur Genüge.

Kanzler: Es ist auch gar nicht möglich, diese drei einzuladen. Wir haben nicht genug Festgeschirr. Um genau zu sein, einmal fehlt. Leider.

König: Nicht genug Geschirr? Wieso das? -- Ich würde die Drei dennoch gern kennenlernen. Till, erzähle mir etwas mehr über die Feen. Dann will ich entscheiden.

Till: Wie schon gesagt, es sind Schwestern. Sie gehören zusammen. Ihr müßt sie schon alle drei einladen.

König: Wer eingeladen wird bestimme ich.

Till: Nun denn: Schwester Vergangenheit ist die Älteste. Keiner kennt ihr wirkliches Alter. Von hundert und mehr Jahren ist die Rede. Schwester Gegenwart ist eine Frau in den mittleren Jahren. Die jüngste und bezauberndste ist Schwester Zukunft.

Kanzler: Wenn ich euch raten darf, mein König so ladet, wenn es denn sein muß, die beiden Jüngeren ein. Die Alte soll zu Hause bleiben.

König: Ich werde deinem Rat folgen. Veranlasse alles nötige. Und jetzt will ich endlich meine Tochter sehen. (ab)

Till: Euer Rat war gar nicht klug. Ich fürchte, sie wird erzürnen. Niemand läßt ungestraft die Vergangenheit vor der Türe stehen.

Kanzler: Wer mußte denn von den Dreien schwatzen? Du, der Narr. Manchmal meine ich, du dienst immer noch deinem alten Herrn, dem ersten Gemahl der Königin.

Till: Nun, - der ist leider tot, doch eure alter Herrin soll noch leben? (ab)

Kanzler: Warte nur, dich kriege ich schon noch. (ab)

2.Bild

Königin: (kommt mit König) Komm, wir wollen nach unserer Tochter schauen. Sei leise, sie schläft.

König: Wie süß sie schlummert.

Königin: Sei vorsichtig, weck sie nicht auf.

König: Ist das heute nicht ein herrliches Fest. All die vielen Gäste. Wie ein riesiger Freudentaumel, ein, ein Freudenrausch ist dieses Fest. Ich wünschte, es wäre nie zu ende.

Königin: Und all die vielen Geschenke, welche unsere Tochter erhalten hat. Ich glaube, ich habe schon die Übersicht verloren, von wem was ist.

König: Doch erst die Gaben der beiden Schwestern. Wenn all ihre Wünsche in Erfüllung gehen, wird es unserer Prinzessin an nichts mangeln. Schönheit und Klugheit, Anmut und Grazie, aber auch ein Leben in Wohlstand und Reichtum stehen ihr bevor.

Königin: Ja, um ihre Zukunft brauchen wir uns keine wohl Sorgen machen. Es war schon klug gewesen die beiden Schwestern einzuladen.

Alte: (betritt den Raum und geht zum Kind)

König: He, was machst du da? - Wer bist du? - Hörst du schwer, warum antwortest du nicht?

Alte: Kannst du es nicht erraten?

König: Antworte auf meine Fragen, - oder ich rufe die Wache!

Königin: Wer hat euch erlaubt zu meinem Kind zu gehen?

Alte: Meine Schwestern kennt ihr ja bereits, ich bin die dritte im Bunde.

Königin: Ihr seid nicht eingeladen, was wollt ihr also hier.

König: Wache! - Wache!

Alte: Du rufst vergeblich, König. Sie werden dich nicht hören.

König: Meine Wache hört immer wenn ich rufe! Wache!

Alte: Diesmal scheinen sie taub zu sein.

König: Dann werfe ich dich eigenhändig hinaus.

Königin: (fällt König in den Arm) Wenn sie wirklich die Schwester der beiden Feen ist, sollten wir sie nicht erzürnen.

Alte: Das sind kluge Worte. Doch die Schmach, sie ihr mir angetan habt ist groß.

König: Na gut. Doch was wollt ihr hier?

Alte: Meine Gaben und Wünsche für das Kind will ich euch bringen.

König: Ich wüßte nicht, was die Vergangenheit für Gaben haben könnte.

Alte: Ihr seht nur mein Äußeres, König. Ja, ich bin alt und häßlich. Doch ohne Vergangenheit gibt es keine Gegenwart und erst recht keine Zukunft.

Königin: Wenn du die Vergangenheit bist, dann hast du uns nichts gutes gegeben. Nur Trennung, Not und Elend. Wir brauchen deine Gaben nicht.

Alte: So habt ihr immer noch nichts gelernt und wollt die Fehler eurer Ahnen wiederholen. Hochmut und falscher Stolz sind keine guten Ratgeber. Dann sollt ihr halt selber sehen, was ihr davon habt, wenn ihr die Vergangenheit vergessen wollt.

König: Es reicht, ich höre mir deinen reden nicht länger an. Verschwinde!

Alte: Ich bin gleich weg, doch erst hört meinen Spruch: Wenn die Prinzessin zur Frau herangewachsen ist, soll sie sich an ihrem Geburtstag an einer Spindel stechen und in einen tiefen Schlaf versinken und mit ihr das ganze Land. Und dieser Schlaf soll dauern, bis ein Prinz kommt, welcher nicht nach Macht und Reichtum giert und welcher reinen Herzens ist. - (im abgehen) Ich hoffe, es wird euch eine Lehre sein. (ab)

Königin: (besinnt sich als erste) Was hat das alles zu bedeuten? Das war ein böser Spuk?

König: Kein Spuk. - Ich wünschte es, ja. - Aber ich verstehe es selbst nicht.

Kanzler: (kommt aufgeregt) Majestät, Frau Königin! Verzeiht die Störung. Ich suche euch schon überall. Der Narr hat sich schon wieder eine große Frechheit gegen mich erlaubt. Ich wünsche, das ihr ihn endlich bestraft.

König: Ich habe jetzt andere Sorgen als deinen ewigen Streit mit dem Narr.

Kanzler: Wenn ich mir aber die Bemerkung erlauben darf ...

König: Nein!

Königin: Die dritte Schwester war soeben hier.

Kanzler: Was?! Die Vergangenheit? Uneingeladen? Das widerspricht doch jeder Etikette. Ich werde den Wachhabenden sofort betrafen lassen, wie konnte er sie nur hereinlassen?

König: Die Wache kann nichts dafür.

Kanzler: Verzeiht mein König, aber die Wache ...

König: Schweig!

Königin: Etwas Furchtbares wird geschehen. Der Spruch der dritten Fee, dieser Hexe, gleicht einem Fluch. - Nein, einem Todesurteil. Einen Menschen, einen Prinzen gar, der diese Bedingungen erfüllt, den gibt es nicht auf dieser Welt. O mein Kind! (nimmt Kind und ab)

Kanzler: ich bitte um Vergebung, Majestät. Aber könnte ich erfahren, was geschehen ist?

Till: (kommt hinzu) Ahh, unser Kanzler beim petzen. - Doch warum so betroffen schweigsam?

König: Jetzt ist keine Zeit für Scherze, Till. Unser Kind und unser Land sind einem Fluch verfallen. An ihrem 15.Geburtstag soll sich die Prinzessin an einer Spindel stechen und alles soll in einem tiefen Schlaf versinken.

Till: Wer schläft sündigt nicht.

König: Und nur ein Prinz, der reinen Herzens ist, kann sie erwecken.

Kanzler: Das ist ja schrecklich.

König: Was kann man nur tun, um dies zu verhindern?

(alle drei beginnen im Kreis zu gehen, wenn einem eine Idee kommt, welche sofort wieder verworfen wird, wird die Gehrichtung geändert)

König: (bleibt stehen) Man müßte ..., ach nein. (andersrum weitergehen)

Kanzler: (bleibt stehen) Ich hab's! ... (schüttelt den Kopf, Richtungswechsel)

Till: (bleibt stehen) Majestät , wenn ..., Geht auch nicht. (eine weiter Runde)

(kann sich mehrfach wiederholen)

Kanzler: (Bleibt stehen, Till und König laufen auf) An einer Spindel stechen? - Ich hab's, mein König! Gebt den Befehl, alle Spinnräder mitsammst Spindeln sofort verbrennen zu lassen. Wer dennoch welche in Bestitz hält, neue herstellt oder gar damit arbeitet soll schwer bestraft werden.

Till: Wollt ihr das Kind mit dem Bade ausschütten? Wenn niemand mehr Garn spinnt, womit wollt ihr euch dann kleiden? Und denkt doch an die vielen Menschen, welche sich damit ihr Brot verdienen. Wollt ihr, daß das Volk verhungert?

Kanzler: Wenn die Staatsräsion es gebietet, müssen alle Opfer bringen. Das wohl der Prinzessin und unser aller Wohl steht auf dem Spiel. Wen interessiert da das Volk? Und was die Kleidung betrifft, woanders ist sie ohnehin billiger zu haben.

Till: Majestät, ich bitte euch, ihr dürft das nicht anordnen.

König: Ich weiß, ich weiß, "keinem soll es schlechter gehen", aber weißt du etwas besseres?

Till: (zögernd) Nein, aber ...

König: Dann soll es so geschehen wie der Kanzler es vorschlug. Kanzler, ihr habt freie Hand.

Kanzler: Jawohl, mein König.

König: Und noch etwas. Niemand darf etwas von dem Fluch erfahren, auch die Prinzessin nicht, wenn sie älter ist.

Kanzler: Selbstverständlich, mein König.

König: Till, hast du mich verstanden?

Till: Ja, ja, mein König. (König und Kanzler ab) Wenn das nur gut geht, wenn das nur gut geht. (ab)


3.Bild

Erzähler: 15 Jahre sind inzwischen vergangen. Die Prinzessin ist zu einer jungen Dame herangewachsen. Ihre Schönheit und Anmut sind im ganzen Land und darüber hinaus bekannt. Viele Gäste sind gekommen, um ihren Geburtstag zu feiern. Während sich die Gäste zur Jagd rüsten läuft die Prinzessin durch das Schloß.

Dornröschen: Till! Till! Wo bist du? Komm, zeige dich! Till!

Till: Prinzessin, ihr habt mich gerufen!?

Dornröschen: Ja, komm, ich will mit dir spielen. Fang auf! (wirft Till einen Ball zu)

Till: (läßt Ball fallen) Ich möchte heute nicht Ballspielen.

Dornröschen: Gut, dann spielen wir Rätselraten. Ich frage zuerst. Erste Frage: was bedeuten Eule und Spiegel in deinem Wappen?

Till: Muß das sein?

Dornröschen: Ja, ja, ja. Sei doch kein Spielverderber.

Till: Aber nur diese eine Frage. Die Eule ist das Symbol der Weißheit und den Spiegel halte ich den Leuten vor, damit sie sich selbst erkennen.

Dornröschen: Der Kandidat hat zwei Punkte. Die nächste Frage.

Till: Bitte keine mehr.

Dornröschen: Till, was ist mit dir los? Wo bleiben deine Späße? So kenne ich dich doch gar nicht! Ich habe doch heute Geburtstag.

Till: Das ist es ja gerade.

Dornröschen: Weil ich Geburtstag habe, bist du ein Trauerkloß? Was hat denn mein Geburtstag damit zu tun?

Till: Als du geboren wurdest, da ... Nein, ich darf es dir nicht sagen.

Dornröschen: Was war da? Heraus mit der Sprache.

Till: Nein Prinzessin.

Dornröschen: Mir kannst du es doch verraten. Ich sage es auch keinem weiter.

Till: Euer Vater hat es verboten.

Dornröschen: Und ich erlaube es dir wieder. -- Ich befehle dir, mir alles zu sagen!

Till:Tut mir leid. Ich darf es nicht. - Und es ist wohl auch besser, wenn ihr es nicht wißt.

Dornröschen: Jetzt bin ich erst recht neugierug. (schmeichelnd) Till, mein lieber Till, Eulenspiegelchen, verrate mir doch das Geheimnis. Ich bin auch ganz lieb.

Till: Ihr wißt doch immer wie ihr ans Ziel kommt. Nun gut, hört zu: Nach eurer Geburt erschienen nicht nur zwei weise Schwestern, etwas später kam noch die Dritte. (König und Kanzler kommen unbemerkt hinzu) Auch diese sprach über eurem Bett ihren Wunsch aus, doch leider war dieser ...

König: Halt sofort deinen Mund Hatte ich dir nicht verboten darüber zu sprechen?

Dornröschen: Vater, ich hatte ihn darum gebeten.

König: Du bist still, mit rede ich nachher.

Kanzler: Meines Erachtens ist dies ein Verrat von Staatsgeheimnissen.

König: So sehe ich das auch. Till, du weißt, welche Strafe darauf steht.

Till: Majestät, ich wollte doch nur ...

Kanzler: Du redest nur, wenn du gefragt bist. Mein König, wir sollten die volle Härte des Gesetzes zur Anwendung bringen.

König: Ich will Gnade vor recht ergehen lassen. Du wirst sofort mein Land verlassen, sofort sage ich. Der Kanzler wird dich bis an die Grenzen meines Reiches begleiten.

Kanzler: Dieser Weg wird mir ein Vergnügen sein. Auf diesen Moment habe ich lange gewartet. Komm! (zieht Till hinaus)

Till: Verschweigen hilft nicht etwas zu verhindern. (ab)

Dornröschen: Vater, was soll das alles Bedeuten. Erklärt es mir bitte.

König: Da gibt es nichts zu erklären.

Dornröschen: Was war das für ein Wunsch?

König: Dafür bist du noch zu jung. Außerdem wollt ich dir nur sagen, das wir jetzt zur Jagd ausreiten. Mach also keine Dummheiten wenn wir nicht da sind. Am besten du gehst auf dein Zimmer. (ab)

Dornröschen: (nachmachend) Dafür bist du noch zu jung. - Geh auf dein Zimmer.- Immer die selbe Leier. (trotzig) Jetzt gerade nicht. Ab heute bin ich erwachsen, da kann ich machen was ich will! --- Ich werde mich im Schloß mal richtig umschauen. - Ich werde schon hinter das Geheimnis des dritten Wunsches kommen. (ab)


4.Bild

Erzähler: Während Till vom Kanzler außer Landes gebracht wurde, stöberte die Prinzessin durch das ganze Schloß. Viel gab es da zu entdecken. Noch längst kannte das Mädchen noch nicht alle Winkel. Besonders verlockend erschien ihr der Turm. Nachdem sie die rostige Eisentür geöffnet und die lange Wendeltreppe emporgestiegen war, gelangte sie in ein Gemach mit vielen Dingen, welche sie noch nie gesehen hatte. Ein altes Spinnrad zog ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich. Als sie es betrachtete und dabei berührte, stach sie sich in den Finger. Im selben Moment versank sie in einen tiefen Schlaf und mit ihr alle Menschen im Schloß und im ganzen Land. Viele Jahre vergingen und langsam wurde Schloß von einer Dornenhecke umwachsen und alles Land verödete. Till wanderte indessen durch die weite Welt und erlebte viele Abenteuer.

Till: (kommt singend) Das Wandern ist des Hofnarr'n Lust, das Wandern, das Wandern. Das muß ein schlechter Hofnarr sein, dem niemals fiel das Wandern ein, das Wandern. - Von wegen Lust. Frust! O meine Füße. (sucht Sitzplatz) Ich hätte nie gedacht, daß man es in der Fremde so schwer hat. Tagelang kein Dach überm Kopf. Gastfreundschaft ist ein Fremdwort geworden. wem es halt selbst zu gut geht, der denkt nicht mehr an die Not anderer. Höchstens noch anonym.

Hans: (kommt hinzu) Hallo! Darf ich mich zu dir setzen?

Till: A, noch ein Fremder in der Fremde.

Hans: Stimmt. Ich reise in der Welt umher, momentan von da nach da. Und wohin geht dein Weg?

Till: Immer der Nase nach.

Hans: Übrigens, ich bin Hans. Hans im Glück.

Till: Im Glück?

Hans: Ja. - Jetzt möchtest du wissen, wie ich zu meinem Namen gekommen bin!

Till: Ich bin doch nicht neugierig. - Erzähl mal!

Hans: Ganz einfach, ich bin es - glücklich.

Till: Aha, ganz einfach.

Hans: Weißt du, früher habe ich immer geglaubt, wenn man viel Geld hat, hat man viel Macht. Und wenn man viel Macht hat, ist man glücklich. Ich war Reich und hatte viel Macht. Ich konnte mir alles leisten. Aber kaum war ein Wunsch erfüllt, schon stand der nächste, größere vor der Tür. Glücklich war ich dadurch nie. Am Ende habe ich mich nur noch gelangweilt und war unzufrieden. Es klingt seltsam, aber je mehr ich hatte, desto ärmer bin ich geworden. Bis ich mir eines Tages sagte: Hans, so geht das nicht weiter. Also habe ich alles weggegeben und bin ausgestiegen. Und jetzt bin ich Frei und Glücklich.

Till: Und bist ein Penner geworden.

Hans: Nicht gleich Penner. Ich bin ein freischaffender Wandersmann.

Till: Was tut denn ein freischaffender Wandersmann so außer wandern?

Hans: ich suche Leute, denen ich helfen kann.

Till: Ich wüßte schon jemanden, der Hilfe gebrauchen könnte.

Hans: Nur zu.

Till: Doch daran sind einige Bedingungen geknüpft.

Hans: Hilfe kann man nicht an Bedingungen knüpfen, entweder man hilft oder man hilft nicht.

Till: So habe ich das nicht gemeint.

Hans: Erzähl erst mal!

Till: Du müßtest jemanden aufwecken.

Hans: Das soll alles sein? Wie sind die Bedingungen?

Till: Die ersten beiden scheinst du ja zu erfüllen, keine Gier nach Macht und Geld. Doch die Dritte!

Hans: Und die wäre?

Till: Du bist kein Prinz!

Hans: Wer sagt das?

Till: (nach kurzer Pause) Du bist ein Prinz?

Hans: Und ob. sogar mit langem Stammbaum. Doch auf Titel und Abstammung lege ich keinen Wert, wozu auch. Nicht der Titel und das "von" vorm Namen macht den Mensch zum Edlen, seine Taten sind es.

Till: Was du sagst gefällt mir. Hier, schau dir dieses Bild an.

Hans: Ein schönes Mädchen, zu verlieben schön.

Till: Wenn du es schaffst, sie zu erwecken, kannst du ein ganzes Land retten.

Hans: Na dann nichts wie los.(beide ab)



5.Bild (im Turmzimmer)

Hans: (zuerst nur Stimme) Hier ist wirklich schon lange niemand mehr gegangen. Bloß gut, das selbst die Spinnen schlafen, sonst wäre hier kein durchkommen. (sieht Dornröschen) Hier schläft sie also. Sie ist ja noch viel hübscher als auf dem Bild. - Am liebsten würde ich sie küssen, so schön ist sie. - Wie wecke ich sie nur auf? Hallo! - Prinzessin! - Hallo, aufwachen! - Nichts, sie rührt sich nicht. - Hallo! Dornröschen! Hallo, - aufstehen! - Ob ich sie nicht doch mal küssen sollte? - Ich tu es. (küßt sie, Vogelgezwitscher setzt ein)

Dornröschen: (wacht auf) Wo bin ich? - Wer bist du?

Hans: Ich bin Hans, Prinz Hans der Glückliche. Ihr seid in eurem Schloßturm.

Dornröschen. Ja, ich erinnere mich. Aber wie kommt ihr in das Schloß und hier herauf. Die Wachen lassen keinen Fremden in das Schloß.

Hans: Euer Vater, die Wachen und alle anderen Leute haben geschlafen. Ihr übrigens auch.

Dornröschen: Geschlafen? Die Wachen?

Hans: Und das viele Jahre hindurch. Schaut doch zum Fenster hinaus und Überzeugt euch.

Till: (kommt hinzu) Ich freue mich euch wieder zu sehen. Als die Vögel mit singen begannen, wußte ich, das es geschafft war.

Dornröschen: Till: Wo kommst du denn wieder her?

Hans: Er kam mit mir. Von ihm kenne ich dein Schicksal.

König: (kommt mit Königin) Habe ich doch richtig gesehen, Till! - Was ist denn hier los?

Königin: Dornröschen, wer ist dieser Fremde?

Till: Wenn ich vorstellen darf, das ist der Prinz, dem es nicht um Macht und Geld geht. (schelmisch) Aber um eure Tochter.

König: Na schön, vielen Dank junger Mann. Bevor ihr weiterzieht, dürft ihr euch natürlich stärken und mit uns speisen.

Hans: Vielen Dank für das Angebot, aber so hatte ich es mir eigentlich nicht vorgestellt.

Königin: Dornröschen, wie hat er dich denn eigentlich geweckt?

Dornröschen: Er hat mich geküßt.

Königin: Geküßt? (zu Hans) Schämen sie sich, die Situation so schamlos auszunutzen!

Hans: Ich schäme mich nicht, Ich möchte Dornröschen heiraten.

Dornröschen: O ja!

König: Was sagt man denn dazu?

Till: Da sagt man am besten: ich trete zurück, hier ist meine Krone. (nimmt König Krone ab und setzt sie Hans auf)

Kanzler: Da komme ich ja gerade noch zur rechten Zeit. Mein König, wie könnt ihr nur ...

Till: Zu spät, mein Kanzler.

Kanzler: Wenn ich aber darauf verweisen darf, das nach rechtsstaatlichen Prinzipien ...

König: Laß gut sein. Die Entscheidung ist gefallen. Ich war ein schlechter Herrscher. Die Kinder sollen es besser machen.

Kanzler: Wenn es denn so ist. Prinzessin, darf ich euch meine Rat und meine Dienste anbieten?

Dornröschen: Danke für das Angebot, aber wir verzichten. Unser neuer Kanzler soll der Till sein.

Till: Eingedenk der Tatsache, das in Wahrheit stets der Kanzler und nicht der König regiert, verkünde ich meine erste Amtshandlung: Aus Küche und Keller hole man das Beste, damit man es verspeise auf dem Hochzeitsfeste. Wenn ich bitten darf! (alle ab, höfisch, erst Dornröschen und Hans, dann König und Königin, Till nimmt den verdutzten Kanzler mit)


Erzähler: Zusammen mit Till regierten Hans und Dornröschen das Land zum Wohle aller Bewohner. So waren sie beliebt bei Groß und Klein. Und wenn sie noch nicht geboren sind, so wird es langsam Zeit.

E N D E